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Umgang mit behinderten Menschen: Ich bin blind und leider nichts Besonderes

Der siebte Sinn und das siebte Weltwunder

Nicht nur in Kunst und Literatur wird Blinden Menschen ein siebter Sinn oder etwas Übersinnliches oder Übernatürliches,zugeschrieben. Immer wiederhöre ich Äußerungen wie: „Ihr Blinden habt doch den siebten Sinn.“ Oder: “Ihr habt doch eine ganz besondere Wahrnehmung.“

Doch woher kommt diese Annahme?

In Nepal wird Blinden eine ganz besondere Weisheit zugeschrieben. Wer einem blinden Menschen begegnet ist von allen Geistern (gemeint sind hier vor allem Krankheiten) geheilt. Einem blinden Mann, wird vom Oberhaupt des Dorfes sofort dessen Platz in dessen Haus zugewiesen und alle Speisen werden aufgedeckt, die die Frauen des Hauses finden können. Selbst dann, wenn er selbst so arm ist, dass er kaum etwas zu Essen hat. Immer beginnt die Einladung mit einer tiefen und stummen Verneigung, die, nicht selten, bis zum Boden reicht.

Der Glaube an das Übersinnliche in unserer Kultur

Auch in unseren Breitengraden ist, wie obige Äußerungen zeigen, diese Annahme verbreitet. Sie kommt in Gestalt der Zuschreibung von Vorahnungen, heilenden Händen oder der Fähigkeit einer ganz besonderen Wahrnehmung daher.

Welche Folgen hat diese Annahme?

Früher nannte man den siebten Sinn „das „zweite Gesicht.“ Personen, die über diese Eigenschaft verfügten, wurden gemieden und ausgestoßen.

Blinde haben leider nur ein Gesicht, auch lediglich vier Sinne. Aber in einer Gethoisierung, und trotz guter Aufklärung, mit oftmals wenig Anerkennung, leben sie Heute auch noch weitgehend.

Doch vielleicht Sonderling?

Besonderheiten und Sonderlinge heben sich von dem Allgemeinen, und damit von der Menschheit ab. Sie sind häufig immer noch eine abgetrennte, isolierte, Kategorie.
Immer noch werden blinde Kinder, aus den unterschiedlichsten Gründen, nur allzu oft, und dass trotz der Inklusion, einer Sonderbehandlung, schon wieder das Wort, durch die Sonderpädagogik, zugewiesen.

Auserwählte Minderheit

So lange blinde Kinder, wie die Zauberschüler bei Harry Potter, in getrennten Einrichtungen unterrichtet und ausgebildet werden, bleiben sie immer eine Auserwählte Minderheit, und damit eine Besonderheit. Niemand sieht wie sie aufwachsen, welche täglichen Aufgaben sie bewältigen oder wie sie diese lösen.

Alle Menschen sind gleich

Was das Grundgesetz postuliert gilt auch in der Biologie / Physiologie. Von Geburt an sind blinde und sehende Kinder mit den gleichen Sinnen ausgestattet. Während blinde Kinder lernen, ihre verbliebenen Sinne zu nutzen, bzw. einzusetzen, verkümmern diese bei sehenden Menschen häufig, da sie lediglich den Sehsinn einsetzen. Das blinden Menschen häufig zugeschriebene überdurchschnittlich gute Gehör ist nichts Anderes als die Folge eines lebenslangen Lernprozesses und Gebrauchs des Hörsinns.

Von vielen Menschen wird uns also, völlig zu Unrecht, eine geheimnisvolle Aura zugeschrieben. Weil sie sich nicht vorstellen können, ohne den allumfassenden optischen Sinn, leben zu können. Umso erstaunlicher finden sie es, wenn wir es schaffen, einen PC zu bedienen, uns etwas zu Essen zuzubereiten, uns Dinge zu merken, Termine im Alltag zu managen oder diesen zu organisieren.

Mein ganz persönliches Geheimnis

Es gibt, und das ist nicht erstaunlich, eine Vielzahl von Dingen, die mich vor enorme Herausforderungen stellen, die ich gelegentlich auch nicht bewältigen kann.
So sind für mich, trotz fortgeschrittener Bemühungen, die digitale Welt für blinde Menschen, zugänglicher zu machen, viele Webseiten und Programme, und damit viele Informationen, nicht erreichbar. Eine grafische Benutzerfläche, die von meiner Hilfstechnologie, die auf einer befehlsorientierten Programmierung basiert, nicht ausgelesen werden kann.
Seine Tücken hat auch der Haushalt. Hier gilt Salopp gesagt: Der Schmutz, der mir unter die Finger kommt, den kann ich beseitigen, der, der sich anschleicht und nur sichtbar ist, muss von einer sehenden Person entfernt werden.

Ach ja, am Rande bemerkt: In meiner Wohnung herrscht ein kreatives Chaos.
Damit wäre auch das mir gegenüber häufig geäußerte Vorurteil, blinde Menschen wären so ordentlich, weil sie ja wegen ihrer Blindheit auf Ordnung angewiesen seien, damit sie alles finden, widerlegt.

Fazit: Ich bin und bleibe blind und leider nichts Besonderes.

Dass die Chancen, eine Netzhautablösung zu beheben in den nächsten Jahren steigen, halte ich , bei dem derzeitigen Stand der Medizin, für ausgeschlossen. Und an Übersinnliches oder Wunder, vielleicht das achte, glaube ich, selbst jetzt, wo ich das Ende dieses Blogartikels erreicht habe, immer noch nicht. Zugegeben: Zu beidem habe ich keinen Zugang. Außerdem verhindern sie einen ungetrübten Blick auf die eigene Person. Beide gaukeln vor, auserwählt, und damit ganz besonders, wie besonders auch immer, zu sein. Sowohl der siebte Sinn als auch das siebte Weltwunder implizieren einerseits, etwas Besseres und ganz besonders, zu sein.

Den siebten Sinn habe ich auch nicht, zur erinnerung, ich bin lediglich mit vier ausgestattet. Daneben habe ich zwei Beine, einen Rumpf, zwei Arme und einen Kopf.
Kurzum: ich bin ein Mensch. Ich bin also nichts Besonderes.

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